Das Beste zu Beginn: „Frei.Wild“-Track Nummer 5 („Aus Traum wird Wirklichkeit“), der insgesamt 21 Titel umfassenden CD „Feinde Deiner Feinde“ ist ein absoluter Wunderkerzen-Klassiker. Es wird DER Mitgröhl-Höhepunkt auf jedem Frei.Wild-Konzert werden. „All die Liebe gilt für immer, für immer dir“ versprechen da die jungen Väter ihren Kindern – und wollen sie niemals im Stich lassen. Wenn man sich die Fotos im Booklet anschaut, wird einem jedoch Angst und Bange vor den Südtirolern, die im „Martial-Arts“-Stil ihre Gitarren und Fäuste durch den Äther knallen, dass es nur so scheppert – freilich alles nur, um ihre Kleinen zu beschützen …
Wollen Kinder wirklich solche Papis haben? Sie könnten jedenfalls durchaus stolz sein, denn: Frei.Wild haben es geschafft, nach ihrem letzten erfolgreichen Album „Gegengift“ mit ihrem neuen Baby gleich nach der Veröffentlichung von null auf eins in den Musicload-Album-Charts einzusteigen. Frei.Wild ist in der Tat ein Phänomen. Es scheint so, als könnten die Südtiroler die „würdigen“ Nachfolger der „Böhsen Onkelz“ werden, die sich 2005 aufgelöst hatten.
Immer wieder Nazi-Vorwürfe, von denen sich Frei.Wild distanziert
Es gibt einige Parallelen. Wie die Onkelz in ihren Anfangszeiten haben auch die Frei.Wilderer mit ihren „rechten“ Anfängen zu kämpfen: Sänger Philipp Burger gehörte bis zum Oktober 2008 der rechtspopulistischen Südtiroler Partei „Die Freiheitlichen“ an. Nachdem die Band auf einer Veranstaltung der Gruppierung auftreten sollte, zogen sich Management und Platten-Label zurück – obwohl sich Frei.Wild zuvor distanziert hatte. Eine weitere Folge war die teilweise Auflösung ihres Fanclubs.
Bevor er Frei.Wild gründete, spielte Burger bei der Rechtsrock-Band „Kaiserjäger“. Das letzte Konzert dieser Band gipfelte in einer Massenschlägerei zwischen deutsch und italienisch sprechenden Neonazis. Ein Jahr nach der Auflösung der Kaiserjäger hob Burger im September 2001 mit Jonas Notdurfter, Christian Forer und Jochen Gargitter die Band Frei.Wild aus der Taufe – den Nazi-Vorwurf ist er aber auch bei der neuen Band nicht los geworden. Die Band distanziert sich immer wieder öffentlich von der rechten Szene. Im Lied „Das Land der Vollidioten“ (aus dem Album „Hart am Wind“, 2009) singen sie selbstverteidigend „Wir sind keine Neonazis und keine Anarchisten, wir sind einfach gleich wie Ihr … von hier.“ Sie lassen sich aber auch immer wieder das eine oder andere Hintertürchen offen …
Geschickt nutzt die Band die Anfeindungen für sich aus…
In den Texten auf der neuen Scheibe bleiben sie stets im Dunkeln, im Verborgenen – und bieten Anlass zu Sepkulationen: In „Nur Dumme sagen Ja und Amen“ singen sie von Tabus, verbotenen Themen und rufen dazu auf, ungehorsam zu sein und zu sagen, was man will. Der Song „Mach Dich Auf“ schlägt in dieselbe Kerbe: „Und belüge dich niemals selbst. Lass deinen Gedanken freien Lauf. Und schreie es heraus. Denn wenn du immer alles hinnimmst, nehmen Dinge ihren Lauf.“ Bei „Wir gehen wie Bomben auf euch nieder“ heißt es gar: „Seht her, hier stehen die Sieger. Immer, immer wieder, ertönen unsere Lieder.“ Politikwissenschaftler Günther Pallaver von der Uni Innsbruck wirft der Band wegen dieser und anderer Zeilen vor: „Frei.Wild besingen eine Blut-und-Boden-Ideologie und knüpfen genau dort an, wo man 1945 geglaubt hatte, einen Bruch vollzogen zu haben.“
Geschickt nutzt die Band die Anfeindungen für sich aus. Doch nicht nur die eigenen Fans sind ein Garant des Erfolgs – auch die große Zahl der Bandhasser trägt dazu bei, die Werbetrommel für die Südtiroler zu rühren. Geschimpft wird auf den Rechtsstaat, Gutmenschen, Moralapostel, Journalisten, Priester – einfach „Wir gegen alle“. Gefährlich wird das Ganze – man beachte, dass die CD mit „FSK 12“ im Handel erhältlich ist – im Song „Nennt es Zufall, nennt es Plan“: Vielleicht sollte es eine Beichte – ein Entschuldigungsversuch sein, aber: Es hört sich anders an! Sie gestehen ein, Leute verdroschen, gesoffen und kranke Ideologien ausgelebt zu haben. Es tut ihnen leid. Aber sie sind stolz darauf, dass trotzdem etwas aus ihnen geworden ist. Soll doch jeder erst mal seinen eigenen Dreck wegkehren. Eine mögliche Lehre daraus: Man kann also ruhig mal Leute verdreschen und kranke Ideologien ausleben, wenn man sich danach davon distanziert.
Da hat offenbar der Textbaustein-Generator nicht so funktioniert
Insgesamt scheint es so, dass sich die Jungs von Frei.Wild die besten Stammtischparolen und Fäkalausdrücke auf ihrem Rechner abgespeichert haben. Nur so kann man sich Stilblüten wie „Ich werde die Scheiße nicht fressen“ erklären. Es kann schon mal vorkommen, dass die Texte dann rhythmisch überhaupt nicht zur Melodie passen. Da hat offenbar der Textbaustein-Generator nicht so gut funktioniert.
Eine Hommage an die Onkelz soll offenbar „Zieh mit den Göttern sein“ – und das, obwohl die Südtiroler immer wieder öffentlich bekunden, dass ihnen der ewige Vergleich mit den Frankfurtern auf den Keks geht. Beim Frei.Wild-Trauer-Bewältigungs-Song stirbt jemand in jungen Jahren: „Noch so jung und weshalb denn so früh schon? Immer die Besten gehen zuerst fort“. Wer denkt da nicht an den Onkelz-Klassiker „Nur die Besten sterben jung“? Einer der Höhepunkte auf jeder Dorfdisco, bei der spät nach Mitternacht alle, die noch nicht abgestürzt waren, den Schuppen zum Einstürzen brachten und mit ihrem Gröhlen die komplette Umgebung beschallten.
Unter anderem weil sie hochdeutsch singen, müssen sich Frei.Wild auch immer wieder dem Vorwurf des Kommerzes entgegenstellen. Anders als etwa bei Reinhold Messner, den Kastelruther Spatzen oder Luis Trenker hört man bei Frei.Wild nichts vom typischen Südtiroler Dialekt heraus. Bei Frei.Wild wirkt das aufgesetzte Hochdeutsch künstlich und fremd. Die Songs ließen sich aber im Dialekt natürlich auch nicht im gesamtdeutschen Sprachraum vermarkten. Die Band hat ein Konzept: Harter Mann, rebellisch, aufmüpfig und patriotisch – nach dem Motto: Man darf doch wohl ein bisschen heimatverbunden sein … Dieser Proletenrock scheint überall in der Provinz zu funktionieren – aber eben auch in rechtsextremen Kreisen.
Frei.Wilds Erfolg gründet sich auf Hass und Liebe zugleich
Was bleibt, ist musikalischer Einheitsbrei aus drei bis vier Akkorden, punkig-verzerrte Gitarren mit Melodien zum Mitjohlen. Sogar ein paar Stefan-Mross-Gedächtnis-Trompeten haben die Produzenten auf das Album gepackt: Ein Musikantenstadel der ganz besonderen Art, für den die stink-normale und nicht-kommerzielle Rock-Coverband „Die freyen Wilden“ (ganz und gar nicht rechts!) aus Freyung im Bayerischen Wald vor einigen Jahren sogar ihren ursprünglichen Namen „Freywild“ hergeben musste. Auch in der Auseinandersetzung mit der Band aus Niederbayern werden die Südtiroler ihrem Image gerecht: Frei.Wild lässt sich nichts gefallen. Ihr Erfolg gründet sich aus Hass und Liebe zugleich. „Oft bekriegt, nie besiegt“ singen sie bei einem ihrer Titel und belächeln ihre Kritiker – die ihnen helfen ihren „Wir gegen alle“-Status aufrecht zu erhalten.
Jason Ditshej
Jetzt mal ganz ehrlich, jeder mit einem halbwegs normalen Menschenverstand kann doch nicht ernsthaft Frei.Wild-Fan sein. Diese sauflachen pseudophilosophischen Texte kann man sich ja nicht antun. Warum in Gottes Namen gibt es nur so viele Saubauern (gemeint sind nicht Schweinebauern) in unserer Gegend???
ich gestehe, dass ich selbst frei.wild hoere even weil die musik so eingaengig ist. den jungs rechtsextremismus vorzuwerfen ist lachhaft…ihr ziel ist ganz eindeutig, das vakuum zu fuellen, das die onkelz hinterlassen haben und dazu gehoert eben auch kontroverse. obwohl ich wie gesagt ab und an gerne mal frei.wild laufen lasse: den onkelz koennen die jungs nicht mal entfernt das wasser reichen. kevins vocals, die erstaunlich intelligenten lyrics von weidner, die nach vorne peitschende rhythmik und die glaubwuerdigkeit der frankfurter machen die onkelz zu einem jahrhundertphaenomen…ich wuerde noch weiter gehen: die musik der onkelz hatte daemonische qualitaeten, sie zog einen in einen wahren bann und erzeugte positive und negative gefuehle wie es sonst vielleicht nur wirklich begabt und charismatische redner koennen. das alles setzt die onkelz fuer immer von anderen bands ab…’diese band hat etwas magisches, zog mich in ihren bann,und so wie es mir selbst ging geht es jedem irgendwann‘.