Mit „Raphael – Bayerwald-Thriller“ (hier geht’s zum Trailer) ist dem Autorenduo Alexander Frimberger und Lothar Wandtner im Jahr 2011 ein Überraschungserfolg gelungen. Der düstere Thriller, der sich um einen religiös motivierten Serienkiller dreht, hat sich im Bayerischen Wald innerhalb von nur sechs Wochen zum Bestseller entwickelt. Genau ein Jahr später erscheint nun am 18. Oktober mit „Gabriel – Bayerwald-Thriller“ der zweite Fall von Kommissar Bender. Trieb Raphael sein böses Spiel in der Nationalparkregion rund um Grafenau, Lusen und Rachel, wird diesmal im Landkreis Regen und im benachbarten Tschechien ermittelt. Im Hog’n-Interview sprechen der Schönberger Alexander Frimberger und Lothar Wandtner aus Riedlhütte über ihr Verhältnis zu „Erzengeln“, darüber wie man zu zweit ein Buch schreibt – und über das Phänomen „Regionalkrimi“.
„Raphael“ – ein Buch über einen religions-fanatischen Mörder
„Raphael‘?, „Gabriel‘? In Ihren Büchern morden ausgerechnet Erzengel. Haben Sie ein gespaltenes Verhältnis zur katholischen Glaubenslehre?
Lothar Wandtner: So würde ich das nicht sagen. Als wir uns im Jahr 2010 an die Story für Raphael gesetzt haben, war schnell klar, dass es sich um einen religions-fanatischen Mörder handeln sollte. Genauer gesagt um einen Eiferer, der im Glauben lebt, böse Menschen bestrafen zu müssen und gute Menschen ins Himmelsreich führen zu können. Jemand also, der in der festen Überzeugung lebt, den Willen Gottes auf Erden durchsetzen zu können. Also lag es nahe, dass er sich für einen Engel Gottes hält. Für einen Rache- und gleichzeitig einen Todesengel. Raphael ist in der biblischen Überlieferung beides nicht. Aber er ist ein Begleiter der Sterbenden, jemand, bei dem Menschen häufig Nahtod-Erfahrungen haben. Unserem Mörder war das Grund genug, sich deshalb diesen Namen zu geben.
Und Gabriel?
Alexander Frimberger: Der hat mit Religion rein gar nichts am Hut. Zusammengefasst geht es eher um die Frage, ob Morden ein legitimes Mittel zur Problembeseitigung sein kann.
Diese Frage beantwortet sich doch wohl von selbst.
Frimberger: Aus unserer gesellschaftlichen Sicht und christlichen Tradition heraus natürlich. Aber wie sieht das der Einzelne, Gabriel zum Beispiel?
Lothar Wandtner: Gabriel löst seine Probleme mit Mord
Wandtner: Genau. Wie auch schon bei Raphael bewerten wir nicht, was die handelnden Personen tun. Wir stellen Gabriel als Person vor, die zur Durchsetzung eigener Interessen kein Mittel scheut. Gabriel stellt sich die Frage, ob Mord seine Probleme löst und gibt sich darauf eine eindeutige Antwort. Empathie oder Unrechtsbewusstsein sind dabei kein Thema.
Frimberger: Letztlich bleibt es also nicht bei Verwünschungen, wie: „Dem könnt ich den Hals umdrehen“, die jeder von uns schon einmal gebraucht hat.
Wer Raphael gelesen hat, weiß, dass es stellenweise ganz schön brutal zugeht. Ist das auch bei Gabriel so?
Frimberger: Wir wollen nicht beschönigen, wo es nichts zu beschönigen gibt. Ein religiöser Fanatiker, dem jedes Mittel recht ist, den – wie er glaubt – göttlichen Willen durchzusetzen, geht nicht zimperlich zur Sache. Beklemmend bei Gabriel ist weniger die nackte Gewalt, als eher die absolute emotionale Kälte, mit der agiert wird. Neben Mord spielen dabei auch Hass, Neid und Verrat eine Rolle.
Wir sind beide Redakteure – wir kennen viele absurde Geschichten
Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Geschichten und Personen? Gibt es reale Vorbilder?
Wandtner: Die Handlungsorte sind real. Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Trotzdem fließen – bei Gabriel noch mehr, als bei Raphael – natürlich die Erfahrungen eines langen Berufslebens mit ein. Wir sind beide Redakteure und haben schon jede Menge auch absurde Geschichten gehört. Alles, was wir schreiben, kann aus unserer Sicht genau so passieren oder passiert sein.
Frimberger: Und dann sind wir Menschen nicht so einzigartig, wie wir häufig glauben. So weisen die Akteure in unseren Büchern Wesenszüge auf, die jeder von sich selbst kennt oder bei anderen schon entdeckt hat. So ist es auch zu erklären, dass Leser steif und fest behaupten, die eine oder andere Person, die wir in Raphael beschrieben haben, zu kennen.
„Wir wollen keine witzigen Krimis schreiben – davon gibt es genug“
Grundsätzlich muss man sagen, sind Sie auf den derzeit populären Zug „Regionalkrimi“ aufgesprungen.
Frimberger: In gewisser Weise schon, unsere Thriller haben regionalen Bezug. Das macht für viele Leser einen großen Reiz aus. Wenn eine Leiche an der Racheldiensthütte, auf dem Grafenauer Stadtplatz oder einem Waldstück im Zwieseler Winkel gefunden wird, man den Tatort also kennt, hat das ja auch einen besonderen Reiz. Trotzdem: Unsere Geschichten könnten überall auf der Welt spielen. Darin sehen wir einen Hauptunterschied zu anderen Regionalkrimis.
Wandtner: Außerdem wollen wir keine witzigen Krimis schreiben. Davon gibt es tatsächlich schon genug. Es ist darüber hinaus furchtbar, wenn angebliche Eigenheiten der Menschen einer Region klischeehaft durch den Kakao gezogen werden. Weder ist der Waidler ein weltfremder, ständig schlechtgelaunter Schweine- oder Waldbauer, noch bewegen sich die Menschen nur auf Traktoren fort. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich haben unsere Figuren Macken …
Frimberger: … und zwar zum Teil ganz gewaltige …
Wandtner: … aber eben nicht pauschal ein ganzer Menschenschlag.
Zu zweit schreiben: „So wie ein Film gedreht wird“
Sie schreiben zu zweit. Wie funktioniert das und wie häufig kracht es zwischen Ihnen?
Wandtner: Spätestens nach zwei Stunden gemeinsamen Schreibens nehmen die gegenseitigen Mordphantasien überhand. Dann rufen wir unsere Frauen dazu, die uns behutsam trennen müssen. (Beide Autoren grinsen.) Nein, im Ernst, es gibt nie Streit. Wir sind seit 25 Jahren befreundet und waren uns, bevor wir die erste Zeile geschrieben haben, einig, wie es laufen soll.
Frimberger: Nachdem wir die Story grundsätzlich festgelegt haben, besprechen wir bei Treffen, die jede Woche einmal stattfinden, Details. Danach schreibt jeder eine vorher abgesprochene Szene. Beim nächsten Treffen werden die Szenen gemeinsam gelesen, besprochen und verfeinert, schließlich miteinander verbunden. Wir schreiben also nicht von Seite eins bis 380, man kann es sich am ehesten so vorstellen, wie ein Film gedreht wird.
Und die nächsten Projekte?
Frimberger: Jetzt freuen wir uns erst einmal auf den Start von Gabriel. Und im kommenden Jahr, wieder im Oktober, gibt es dann Kommissar Benders dritten Fall. Der Titel steht auch schon fest.
Wandtner: Michael – Bayerwald-Thriller! Benders dritter Fall.
da Hog’n