„It´s Your Delusion“ heißt das Debütalbum der Band „Cool Motion„, die sich dem Sound des „Cool Jazz“ verschrieben hat. Ein Blick auf die Innenseite des CD-Covers dürfte den Jazz-Laien schon mal erfreuen. Zu jedem der 13 Stücke findet man hier einen kleinen, informativen Begleittext. Eine nette Idee. Jazz-Neulingen könnten sie Motivation sein zum Weiterstudieren. Zum Beispiel wenn sie über Begriffe wie „Tihai“, „Zwölftonreihe“ oder „12/8 Feel“ stolpern. Bemerkenswert ist auch, dass Degners Kompositionen meist von Gedichten inspiriert sind. Warum es ihm dabei Goethes Faust besonders angetan hat, sei dahingestellt. Irgendwie kommt man nicht umhin sich vorzustellen, wie Degner krankhaft getrieben von Mephistoles nach einer Melodie zum Gedicht sucht…
Wie dem auch sei, der Opener „Endless Road“ beginnt bei mittlerem Tempo mit einer etwas melancholischen zweistimmigen Melodie. Dann nimmt das Stück durch seinen Walking Bass Fahrt auf und lässt die Traurigkeit verstummen. Winziers Kompostition ist einfach gestrickt und wohl der „Mainstream-Song“ auf der Scheibe. Jazz-Einsteigern verschafft er einen leichten Zugang zur Platte. Schlagzeug und Bass versuchen, nicht zu aufdringlich zu sein, Gitarre und Saxophon überzeugen durch wohltuende und harmonische Zweisamkeit. In den Solis geben sich Winzier und Degner hier zunächst bescheiden.
„Gretchen Tango“: Goethes „Gretchen“ auf südamerikanisch
„Gretchen Tango“ startet mit einem südamerikanisch-angehauchten Gitarrenintro. Goethe hat offenbar nicht nur Italien besucht. Auch wenn man sich Gretchen als feurige argentinische Tango-Tänzerin nicht vorstellen kann, überzeugt die Komposition auch hier durch Degners akkordisches Gitarrenspiel und der wohltuenden immer zurückhaltenden Rhythmus-Gruppe.
Raffiniert und spitzbübisch beginnt dagegen Ludwigs Komposition „Blues No 1“, bei der der Schlagzeuger mit seinen Fill-Ins und Tempiwechsel alle Register zieht. Zum ersten Mal zeigt sich hier auch das Saxophon wagemütiger. Degners Bolero „Poison Tree“ wird wieder durch ein akkordisches, langes Gitarrenintro in einprägsamer und melancholischer Weise eröffnet. Daraufhin verschmelzen Gitarre und Saxophon in einfühlsamer Art.
Die Melodik und Harmonie von „Blue Tips“ basieren auf einer Zwölftonreihe. Für den Laien wahrscheinlich die unzugänglichste Nummer – obwohl sich gerade hier die Qualität der einzelnen Musiker offenbart. Himmlers schnelles Bass-Solo beeindruckt. Eines der Highlights der CD ist sicherlich „It´s Your Delusion“. Winziers Kompositionen sind poppiger und melodiöser, was der Platte einen angenehmen Kontrast zum doch etwas komplexeren Rest verschafft. Das Altsaxophon schöpft hier den vollen Tonumfang aus und man könnte sich gut vorstellen, dass hier Branford Marsalis zu einer Sting-Nummer improvisiert.
Der überraschendste Song des Albums: „You Are Free“
Degners flotte und technisch einwandfreie Spieltechnik ist bei „Tal It To George“ nicht zu überhören, bei dem die Band sich vor den Jazzgrößen Tal Farlow und George Benson verneigt. Richtig geblendet wird man dann von dem widersprüchlichen „You Can Take It Or Leave It“, das sich nicht so richtig zwischen Groove, Swing und Ballade entscheiden kann. Experimentell wird es darauf mit der siebentaktiken „Wellenlänge“. Mysteriös und märchenhaft ahmen hier die Instrumente Klänge wie Wind, Wasser und Glocken nach. Der überraschendste Song auf dem Album ist vielleicht „You Are Free“: Im Vordergrund ist hier die markante Basslinie, bei der unverkennbar ist, dass Himmler auch in einer Metal-Band spielt. Nach eigenen Angaben ein Popsong, der fast schon rockig dahergroovt.
„Beg“ ist wieder ähnlich gelassen und „cool“ wie schon vorher Degners Gedicht-Improvisationen. Wonach das „Ju“ durch seine Spritzigkeit und Spielfreude hervorsticht, obwohl nach eigenen Angaben „eine Melodie möglichst einfach“ gehalten werden soll. Hier zeigen nochmals alle Musiker ihr Können auf voller Bandbreite, besonders Stefan Degner brilliert mit virtuosen, fingerfertigen Hochgeschwindkeitssoli. Zum Schluss gibt´s noch „Hinten was dran geklebt“: einen langsamen Blues, der das Album dem Bandnamen zufolge cool ausklingen lässt.
FAZIT: Eine abwechslungsreiche, komplexe – teils auch poppige – Jazzscheibe, die sowohl dem Einsteiger Zugang verschafft, aber auch die Jazzliebhaber verzücken wird. Etwas mehr Mut zu klanglichen Experimenten hätte der CD gut getan. Manchmal etwas zu brav und insgesamt etwas melancholisch. Vielleicht aber gerade auch deswegen: cool.
Jason Ditshej
Ein Interview mit Bandmitglied Stefan Degner gibt’s hier.