Der Alltag eines Journalisten kann manchmal ganz schön hart – um nicht zu sagen frustrierend sein. Nehmen wir mal den „Hias“ aus Vorderfreundorf. Der hat uns gerade im Büro angerufen, weil ihm was gewaltig stinkt. Was ihm stinkt? Die Kühe seines Nachbarn. Also fahren wir hin und schauen uns die Gaudi vor Ort an.
Der Hias sagt, Zitat: „Der Nachbar macht einfach zu viel Mist.“ Wir notieren „Der Nachbar macht einfach zu viel Mist“. „Nein!“, ruft er aus, „des kinnan’s doch a so ned schreib’m! Schreib‘ms liawa: Die Kühe von meinem Nachbarn machen zu viel Mist“. Wir streichen also durch – und notieren neu.
Weiter geht’s: Hias erklärt, dass sein Nachbar rund 70 Stück Vieh besitzt, die er ihm täglich vor die Nase setzt, sprich: auf die Weide führt, die direkt unterhalb seines Grundstücks liegt. Und dann beschwert der Hias sich schon wieder: „Des gibt’s ja net, de Kiah scheiß’n ois voi! Do kannst ja net a moi g’miatlich in da Friah a Nutella(!)-Brot aufm Balkon zu dir nehma. Furchtbar is des!“ Er sieht uns das Gesagte fleißig mitkrtizeln.
Des kinna ma so net schreib’m – schreib’ms bessa …
„Obwoi“ … grübel, Hand ans Kinn… Pause – noch mehr Pause … „Na, so geht des aa ned“, dringt’s aus dem Hias hervor – und er moniert erneut: „Halt! Des kinna ma so aa net schreib’m. Schreib‘ms bessa: Die Kühe des Nachbarn entwickeln sehr viele Faulgase – vor allem in den Morgenstunden!“ Und er ergänzt: „A jeda woas heidz’dogs, dass de Kiah dejeninga sant, de des Ozonloch vagressan!“ Hias nickt zufrieden über seinen eigenen Satz und schaut uns endlich erfreut beim Notieren zu. „Des is a Politikum! Schreib‘ms des eine!“ Einfach schön, wenn einem diktiert wird was man zu schreiben hat … Also haken wir nach, um den Hias a bisserl zu prüfen: „In welchem prozentualen Verhältnis stehen denn die Abgase der Kühe zu den sonstigen Abgasen?“
„Öhm, öhm, öhm.“ Hias beginnt zu stammeln und zu stottern. So recht wohl ist ihm jetzt schon nicht mehr mit dem Politikum. Hätte er etwas mehr Schneid, würde er jetzt souverän ein Zahlenverhältnis aus der Zeitschrift „GEO“ zitieren, die er eigenen Angaben zufolge seit mehr als 15 Jahren abonniert hat. Doch so taff ist der Hias dann doch nicht – und das Spielchen beginnt von vorne: „Ach wissen’s wos? Schreib’ms des mit dem Politikum vielleicht doch net nei.“ Wir legen den Stift kurz beiseite, atmen tief durch – aber nicht zu tief, weil’s tatsächlich erbärmlich stinkt – und fragen weiter: „Ja, und was soll jetzt der Nachbar mit seinen Kühen machen, Ihrer Meinung nach?“
Aus is‘, wenn des af’m Hog’n zum Les’n is!
Hias: „Ja mei, er kannt de Viecher doch woanders hibringa!“ Weil wir nicht auf der Brennsupp’n daher geschwommen sind, haben wir bereits vorab telefonisch mit dem Nachbarn gesprochen und wissen nun: „Aber der Nachbar hat doch gar keine andere Wiese! Wo soll er denn dann hin mit seinen Kühen?“ Hias: „Mei, der lebt doch eh ned vo da Landwirtschaft. Der geht ja sowieso in d‘ Oawad! Soi er’s hoid zum Metzger foan! I kaf eam aa a Salami ob!“ Nach diesem kurzen Wutausbruch beruhigt er sich wieder und sagt: „Mei, schreib’ms fei des ja net nei! Aus is‘, wenn des af’m Hog’n zum Les’n is! Dann kemmant wieda de ganz’n militantischen Vegetarier und Kaulquapp’n-Nummeriera daher! Na, des is nix, wei‘ dann kaft koaner mehr seine Getränke bei mir ei!“ (Hias hat einen Getränkeladen – Anm. der Redaktion). Die Lamentiererei hört nicht auf: „Und dabei hob i ja erscht de Bio-Milch und de Bionade aus absolut gentechnikfreier Herstellung nei ins Sortiment mitafg’numma …“
Derweil parkt gegenüber, direkt vorm Nachbarshaus, ein Milli-Wagen mit der Aufschrift „bio-milch“, der dort die Milli vom Bio-Bauern abholt … Dem Hias stockt der Atem und er versucht peinlich berührt uns in sein Haus zu ziehen. Nein, nein Hias. Das hier ist viel interessanter! Wir entziehen uns dem schon etwas unangenehmen Klammergriff und bleiben vor der Haustüre stehen. Wir stellen lieber noch ein paar Fragen: „Sie wissen aber schon, dass Ihr Nachbar quasi Ihre Bio-Milch produziert, die Sie hier so überteuert verkaufen?“ Der Hias kommt ins Stottern: „Äh, naja, na …“ Und jetzt wird er richtig grantig: „Sengan’s! Des ist ja goar ned des Problem! Der verkafft des Meiste an de Leid. Die Rohmilch quasi als Hofverkauf – und dann kafant d’Leid nimmer mei Bio-Milch! Und de wird scho schlecht! Schaun’s amoi!“ Hias macht die Tür eines Nebengebäudes auf und siehe da: Hunderte von Kisten mit Bio-Milch-Flaschen stehen hier dicht an dicht. Frisch ist die Milch schon lange nicht mehr. Der Inhalt ist eher von grünlich-schleimiger Substanz …
Geij, owa nua des schreib’m, wos i g’sogt han…
Unsere Augen beginnen zu leuchten, wir denken simultan: Da tun sich ja wunderbar journalistisch-verwertbare Abgründe auf. Ein wahres Moloch! Hias bemerkt unsere freudigen Blicke – und bevor wir die Spiegelreflex zücken können, hat er die Tür auch schon wieder mit einem kräftigen „Wumps“ zugeschlagen. Die Hände noch am Türgriff, Schweißperlen auf der Stirn, sagt er zu uns gewandt: „Mei, des deafans‘ fei net afm Hog’n bringa. Do kim i in Deifes‘ Kich!“ Schnell kommt er wieder zu seinem ursprünglichen Anliegen zurück: „Des stinkt ja net nur in da Friah, sondern aa iwan Middog und af’d Nocht. Des daback i nimma. Der muas weg, dea g’schdingade Bauer – oder zumindest seine Viecher!“
Wir hören schon nimmer zu, mitschreiben tun wir schon lange nicht mehr. Wir wollen nur noch eins: Schnell zum Nachbarn rüber und ein wenig die Gegend abklappern – nach seriösen Infos. Und darüber, was die anderen hier so vom Hias halten. Schnell verabschieden wir uns, Hias schreit uns noch ein gellendes „Geij, owa nua des schreib‘m, wos i g’sogt han, dass schreib’m deafend“ hinterher – und blickt uns misstrauisch nach …
Stephan Hörhammer und Dike Attenbrunner