Und genau daraus ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen ist die Leistung von Wissenschaft und Forschung in Unternehmen im Bayerischen Wald beachtlich, sie wird aber häufig nicht ausreichend wahrgenommen. Auch nimmt man es einem Mittelständler vielleicht nicht ohne Weiteres ab, dass er eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat. Vielleicht auch, weil sie oft nicht so genannt wird. Neue Unternehmen und Produkte entstehen aber nur auf Grundlage intensiver Entwicklungstätigkeit. Wissenschaft und Forschung sind dafür und liefern hierzu die unverzichtbare Grundlage.
„Niederbayern als weißer Fleck auf der Hochschullandkarte“
Das Hauptproblem besteht aber auf dem Gebiet der öffentlich finanzierten Forschung bzw. der öffentlichen Forschungseinrichtungen. Sicherlich ist es für eine ländliche Region eine Leistung, sich in so kurzer Zeit vorzuarbeiten und bemerkenswerte Erfolge zu erzielen: Niedrige Arbeitslosigkeit, ein gutes Lohn- sowie ein hohes Qualifikations- und Ausbildungsniveau sprechen eine eindeutige Sprache. Von null auf 20.000 Studierende in den letzten dreißig Jahren ist beachtlich. Allerdings wird im direkten Vergleich mit einem Ballungsraum wie München – aber auch anderen Regionen in Deutschland oder global -, das Defizit mehr als deutlich. Während sich in München bereits dutzende private und öffentliche Hochschulen und Universitäten tummeln und man die Anzahl der Forschungseinrichtungen wahrscheinlich gut pro Quadratkilometer zählen kann, sieht es in Niederbayern anders aus. Zwei Hochschulen und eine Universität sind das Ergebnis der letzten Jahrzehnte. Vergleicht man die Zahlen näher, wird das risikoreiche Bild offensichtlich. In München betreuen alleine die drei staatlichen Hochschulen und Universitäten mehr als 100.000 Studierende, wohingegen wir in Niederbayern bei den erwähnten 20.000 Studierenden liegen. Betrachtet man die Zahl der Wissenschaftler pro Beschäftigte, so wird es noch dunkler. Karten der EU bezüglich der Ausgaben des öffentlichen und privaten Sektors in Forschung und Entwicklung zeigen Niederbayern als weißen Fleck auf der europäischen Landkarte.
Warum soll das nun so wichtig sein? Zwei oder drei Wissenschaftler mehr oder weniger machen in der Beschäftigungsstatistik keinen Unterschied. Direkt nicht, langfristig und indirekt wird sich aber eine Wirkung zeigen. Nicht nur die EU-Kommission und die Bundesregierung, sondern auch zahlreiche Untersuchungen weisen darauf hin, dass es einen engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und Wettbewerbsfähigkeit auf der einen und den Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf der anderen Seite gibt.
Forschungseinrichtungen entwickeln zusammen mit Unternehmen neue Technologien, Nachwuchswissenschaftler aus der Forschung sind der Personalnachwuchs in den Unternehmen und Forschungsergebnisse sind meist der Ausgangspunkt für neue Technologien, Produkte und junge Unternehmen. Investitionen und Ausgaben in Höhe von knapp drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gelten als Zielwert für eine zukunftsorientierte Politik. Deutschland liegt leicht unter diesem Wert, strebt aber eine Erhöhung an. Bayern will durch mehr Ausgaben in diesem Bereich seine Wettbewerbsfähigkeit international weiter ausbauen.
„In der Region muss mehr geschehen!“
Mit dem Ausbau der Hochschulen, dem Aufbau von Technologietransferzentren, neuen Studiengängen und der engeren Kooperation der Hochschulen und Universitäten sind wichtige Grundlagen geschaffen worden. Legt man aber die Kriterien an, die sich EU, Bund oder Bayern selbst geben, muss in der Region mehr geschehen, damit Niederbayern durch diese Entwicklung nicht abgehängt wird. Gerade die Aussagen des EU-Kommissars Hahn, dass die EU-Regionalentwicklungspolitik in Zukunft verstärkt die Ballungsräume und Zentren fördern müsse, klingen besorgniserregend. War es doch in der Vergangenheit auch die EU, die Mittel für die Entwicklung gerade ländlicher Räume zur Verfügung gestellt hat.
Hochschulen als Bildungs- und Forschungseinrichtungen müssen weiter im Fokus der regionalen Entwicklungspolitik stehen. Sie sind wichtiger Anziehungspunkt für junge Menschen, Magnet für Unternehmen und sicherlich auch ein internationales Aushängeschild für die Region. Der Ausbau und das Wachstum von Hochschulen und Universitäten in Niederbayern und die kontinuierliche Entwicklung des Technologie-Campus in der Region sind ein guter Indikator, dass der ländliche Raum noch über ausreichende Potenziale verfügt und gerade hier solche Einrichtungen wachsen und wirken können. Der Ausbau von Forschung und Entwicklung ist eben nicht die Investition in einen fernen Elfenbeinturm. Als Technologieregion, die Niederbayern und der Bayerische Wald auf unternehmerischer Seite definitiv sind, besteht auch ein Bedarf und eine Notwendigkeit für technisch orientierte Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Es muss auch weiterhin darum gehen, durch den Aufbau einer zukunftsfähigen Forschungsinfrastruktur vor Ort die Grundlagen für langfristige Attraktivität und Wachstum der Region zu legen. Die Staatsregierung hat hierfür in den vergangenen Jahren einiges geleistet und investiert. Es darf aber nun nicht passieren, dass man dies als ausreichend betrachtet und die Region finanziell in die Pflicht nimmt. Forschung und Bildung sind originäre staatliche und keine kommunalen Aufgaben. Die bestehenden Campi wachsen zwischenzeitlich aus eigener Kraft. In den vergangenen Jahren ist viel geschehen. Stillstand würde aber Rückschritt bedeuten. Andere Regionen schlafen nicht.
Prof. Dr. Wolfgang Dorner